Familienfreundlichkeit im Handwerk 2024 – wie lassen sich Familie und Beruf vereinbaren?

Familienfreundlichkeit im Handwerk

Den gesamten Tag malochen und heimkommen, wenn die Kinder bereits schlafen? Vor allem in einem beschäftigungsintensiven Bereich wie dem Handwerk galt dies lange Zeit als der Preis für den Erfolg eines Unternehmens, den viele Betriebsinhabende und deren Mitarbeitende zahlen mussten. Doch heutzutage wollen viele qualifizierte Kräfte mehr. Familienfreundlichkeit im Handwerk – wie lassen sich Familie und Beruf besser vereinbaren?

Viele Handwerksbetriebe sind bereits seit Generationen in familiärer Hand. Familienfreundliche Arbeitsbedingungen sind somit ein Selbstverständnis. Insbesondere im Hinblick auf den deutlichen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften leisten sie neben einem positiven Betriebsklima auch einen erheblichen Beitrag zur langfristigen Bindung von gut ausgebildeten Mitarbeitenden an den Betrieb und zur Gewinnung neuer.

Familienfreundlichkeit im Handwerk als Erfolgsfaktor

Die Qualifikation und Leistungsbereitschaft von Mitarbeitenden sind für den wirtschaftlichen Erfolg von besonderer Bedeutung: Familienbewusste Unternehmen weisen nicht nur eine geringere Anzahl von Fehlzeiten und Krankheitsausfällen auf als Unternehmen ohne familiäres Engagement, sondern auch eine deutlich höhere Motivation, Produktivität und Qualifikation.

Die Mehrheit der handwerklichen Betriebe sind von einem Ehepaar geführte Familienunternehmen. Darüber hinaus werden dort häufig auch die Kinder ausgebildet, beschäftigt und auf die Nachfolge des Unternehmens vorbereitet. Die kleinen Betriebsgrößen im Handwerk sind bei der Suche nach passenden Lösungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf häufig von Vorteil.

In Betrieben, in denen es im Durchschnitt fünf bis sechs Mitarbeitende gibt, kennt jeder die Tücken des anderen. Die Lösung möglicher Probleme erfolgt rasch und pragmatisch. Diese kleinen Lösungen haben oft einen großen Effekt.

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Sorgen über den Nachwuchs im Handwerk

Die Familienfreundlichkeit im Handwerk ist ein Schlüsselelement, das Betriebe angesichts der Fachkräftesituation für sich nutzen können. Da die demographische Veränderung in den Betrieben eingetreten ist, fällt es fast jedem zweiten Handwerksbetrieb schwer, offene Stellen zu füllen und Nachwuchs zu gewinnen.

Dies hat bedeutende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere für kleinere Unternehmen. 20% der Leistungskraft fehlen, wenn eine Arbeitskraft in einem Fünf-Personen-Betrieb abwesend ist. Umso wichtiger ist es, sich selbst als attraktiveren Arbeitgebenden zu etablieren, dem die Familie am Herzen liegt. Doch wie gelingt die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Handwerk?

Familienfreundlichkeit im Handwerk erreichen

Innerhalb des Handwerks gibt es einige Maßnahmen, die zu einem familienfreundlichen Betriebsklima beitragen können. Die Art, wie in diesem Bereich gearbeitet wird, hat sich in den letzten Jahren stark verändert.

Während sich New Work als Megatrend etabliert hat und viele Branchen auf derartige Maßnahmen setzen, um ihre Bereiche für potenzielle Mitarbeitende attraktiver zu gestalten, bleibt das Handwerk nicht auf der Strecke. Auch hier wird für jeden Betrieb individuell evaluiert, was möglich ist und was nicht. Daher bauen die folgenden Tipps vor allem auf einem New Work-Konzept auf.

Arbeitszeiten mit Flexibilität

Flexible und zuverlässige Arbeitszeitmodelle sind von großer Bedeutung, um die Anforderungen von Arbeitnehmenden als Eltern und Pflegende mit den Anforderungen des Unternehmens zu vereinbaren. Eine empirische Untersuchung des Ludwig-Fröhler-Instituts „Familienfreundlichkeit von Handwerksbetrieben“ hat gezeigt, dass sich das Handwerk hinsichtlich der Arbeitszeitregelungen nicht verstecken muss. So verfügen 38 % aller Handwerksbetriebe über Arbeitszeitkonten. Ein prozentualer Anteil, der wesentlich über dem gesamtwirtschaftlichen Vergleichswert liegt. Zudem gibt es in fast 70 % aller Handwerksbetrieben Möglichkeiten zur Teilzeitbeschäftigung.

In jedem dritten Handwerksbetrieb treten außerdem flexible Tages- und Wochenarbeitszeiten sowie Gleitzeitmodelle in Kraft. Mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen gaben an, dass es ihnen größtenteils gelungen sei, den Wünschen der Eltern hinsichtlich der Arbeitszeit gerecht zu werden, ohne dabei ihre betrieblichen Interessen zu bedrohen.

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Fortschritte durch die Digitalisierung

Es existieren immer mehr Möglichkeiten für Homeoffice in Bereichen wie der Buchhaltung und der Verwaltung. Die Digitalisierung unterstützt diese Flexibilisierung des Arbeitsplatzes. Heutzutage ist es möglich, Baustellen elektronisch zu überwachen, Abläufe mithilfe von Smartphones zu erfassen und zu koordinieren. Für viele Mitarbeitende eine Verschlankung von Arbeitsprozessen, von der vor allem die Familie profitiert.

Diese Form der Verschlankung findet jedoch nicht in jedem Handwerksbetrieb Anwendung. So bleibt die Branche weiterhin nah an Kunden und Kundinnen, was selbstverständlich eine Präsenz vor Ort, sei es auf Baustellen oder im Geschäft, nach sich zieht.

Ausbildungsmöglichkeiten in Teilzeit

Zur Familienfreundlichkeit im Handwerk zählt auch die Förderung der Teilzeitausbildung durch Handwerkskammern. Aufgrund familiärer Anforderungen haben junge Väter und Mütter heutzutage seltener die Möglichkeit in Vollzeit, einen qualifizierten Berufsabschluss zu erlangen. Interessenten, die sich für eine Ausbildung in Teilzeit entscheiden, profitieren von denselben Abschlüssen wie Vollzeitauszubildende, ohne dass die Ausbildungsdauer großartig verlängert wird.

Familie pflegen und arbeiten

Viele Handwerksmitarbeitende sind gezwungen, den Spagat zwischen Beruf, Familie und Pflege zu meistern, da die Anzahl der Pflegebedürftigen zunimmt. Hierzu leisten zunehmend mehr Handwerksbetriebe Hilfe für Mitarbeitende, etwa durch flexible Arbeitszeiten oder die Bereitstellung von Pflegeinformationen und Pflegekontakten. Durch das Halten von Kontakten, Fortbildungen und Rückkehrgespräche kann der Wiedereinstieg nach der Pflegezeit gefördert werden. Arbeitgebende tragen eine solche gesellschaftliche Verantwortung, da sie auf diese Weise motivierte Mitarbeitende binden und Familien stärken.

Kleine Handwerksbetriebe bieten ihren Mitarbeitenden zudem Unterstützung bei der Betreuung von Kindern an, obwohl sie normalerweise keine eigene Kinderbetreuungseinrichtung zur Verfügung stellen. Dennoch verfügen sie häufig über gute Kontakte zu Tagesmüttern und Kitas oder kooperieren mit anderen Unternehmen, um Verbundlösungen zu schaffen.

Im Übrigen kann es ratsam sein, in größeren Unternehmen mit einem höheren Bedarf an Betreuung Belegrechte in einer Betreuungseinrichtung zu erwerben.

Förderung der Gesundheit

Die Work-Life-Balance beinhaltet auch die Förderung der betrieblichen Gesundheit, um die Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden so lange wie möglich zu bewahren. Physische und/oder psychische Anforderungen sind vor allem im Handwerk sehr hoch, wie es zum Beispiel beim viel zitierten Dachdecker der Fall ist. Daher wird es auch in Zukunft im Handwerk Tätigkeitsfelder geben, in denen Personen seltener ein ganzes Erwerbsleben verbringen können.

Hierfür gibt es jedoch eine Vielzahl freiwilliger Maßnahmen in Handwerksbetrieben. Diese umfasst verschiedene Bereiche, darunter Bewegungs-, Entspannungs- und Ernährungsprogramme sowie die Erstellung von Gesundheitsberichten und Seminaren über eine gesundheitsbewusste Führung von Mitarbeitenden.

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Familienfreundlichkeit im Handwerk – Dialog als Schlüsselelement

Auch im Bereich des Handwerks ist festzustellen, dass interne (im Hinblick auf Mitarbeitende) und externe Kommunikation (im Hinblick auf Kunden und Kundinnen) miteinander verbunden sind. Was außerhalb des Unternehmens nicht stattfindet, kann auch in der äußeren Wahrnehmung schnell ein uneinheitliches Bild erzeugen. Daher ist eine gute interne Kommunikation mit der eigenen Belegschaft eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgreiche externe Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Wenn sie in der Belegschaft bekannt und dazu befähigt sind, Rat und Unterstützung zu geben, sind betriebliche Ansprechpersonen eine wichtige Anlaufstelle für persönliche Fragen rund um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Um Informationen über familienfreundliche Maßnahmen des Betriebs zu vermitteln, eignen sich ein Schwarzes Brett, das Intranet oder ein betriebseigener Flyer.

Die Familienfreundlichkeit im Handwerk ist in vielerlei Hinsicht gegeben. Dennoch können Betriebe und Mitarbeitende nur von dieser profitieren, sobald ein offener Dialog stattfindet und betreffende Parteien sich mit Verständnis und Ehrlichkeit entgegentreten.

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Über den Autor

Steffi
Steffi schreiben auf Mega-Handwerk über gesellschaftliche Trends und das Handwerk im Wandel der Zeit.

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