4-Tage-Woche im Handwerk? Einblicke von Innungsobermeister Stefan Raddant

4-Tage-Woche im Handwerk

Die 4-Tage-Woche ist und bleibt ein heißes Thema. Einerseits wünschen sich viele Menschen mehr Work-Life-Balance. Andererseits rufen einige angesichts schwächelndem Wirtschaftswachstums sogar zu mehr Einsatz auf. Wie gehen unterschiedliche Branchen mit dem Thema um? Wir schauen uns das Ganze beispielhaft für das Handwerk an. 4-Tage-Woche im Handwerk? Innungsobermeister Stefan Raddant teilt seine Erfahrungen und gibt Tipps für die Branche.

Mit Stefan Raddant, Geschäftsführer von Elektro Raddant und Obermeister der Innung für Elektrotechnik Münster, haben wir über viele interessante Themen im Handwerk gesprochen. Wie war sein Werdegang im Handwerk, welche Herausforderungen sieht er für das Handwerk in Zukunft? Und warum hat er sich für die 4-Tage-Woche im Handwerk entschieden?

Das alles wird in diesem Praxisartikel besprochen. Außerdem geht es darum, welche Vorteile die Mitgliedschaft in einer Innung für Handwerksunternehmer bietet. Nicht zuletzt geht Innungsobermeister Stefan Raddant darauf ein, welche Chancen sich für Existenzgründer im Handwerk durch eine Innungsmitgliedschaft ergeben.

4-Tage-Woche im Handwerk? Im Gespräch mit Stefan Raddant

Warum bist du Handwerker geworden?

Wir sind jetzt in der 4. Generation Handwerker. Schon mein Urgroßvater war Elektromeister. Mein Vater hat mich mit dem „Virus“ infiziert, indem er mich immer mithelfen ließ. Am Ende des Tages ein Ergebnis der Arbeit zu sehen, finde ich erfüllend.

Was macht dir bei deiner Arbeit am meisten Spaß?

Die Abwechslung begeistert mich. Häufig wechselnde Arbeitsplätze, mal im Haus, mal im Garten, mal dreckig – oft sauber, das wird so schnell nicht langweilig. Ich bin jetzt seit 25 Jahren Elektromeister und habe mich noch an keinem Arbeitstag gelangweilt.

Nervt dich manchmal auch etwas an der Arbeit?

Sehr selten! Wenn der Kunde im Winter seinen Garten beleuchten möchte und wir mit ihm argumentieren müssen, warum Frost und Feuchtigkeit kein Arbeitsmilieu für Elektroarbeiten sind. Oder wenn dem Kunden heute einfällt, dass er zu morgen noch neue Steckdosen für die neue Küche benötigt, obwohl das auch bei Bestellung der Küche vor Wochen schon klar gewesen sein sollte.

Handwerkstrends in Deutschland 2023 – Branchen im Wandel

Wo siehst du die größten Herausforderungen für dein Unternehmen aktuell?

Gute und motivierte Mitarbeiter zu finden, das ist momentan schwierig. Auch die Bürokratie macht uns das Leben sehr schwer. Die muss dringend abgebaut werden.

Was sind aus deiner Sicht die größten Herausforderungen für die Handwerksbranche?

Bei ständig anspruchsvoller werdender Technik gute Mitarbeiter zu finden ist zur Zeit sehr schwierig.

Was sagst du zu jemandem, der meint, eine Ausbildung im Handwerk hat keine Zukunft?

Jetzt, in Zeiten von KI und Automatisierung, ist wohl das Handwerk einer der Berufe, die kaum von Stellenabbau betroffen sein werden. Viele Arbeitsplätze in der Industrie oder am Schreibtisch könnten durch Maschinen oder künstliche Intelligenz ersetzt werden. Handwerk hat durchaus Zukunft – insbesondere das Elektrohandwerk! Ohne Strom geht heute nichts mehr und das wird sich auch nicht mehr ändern.

Wie können junge Leute herausfinden, welche Ausbildung im Handwerk am besten passt?

Ich empfehle da erst einmal danach zu gehen, woran sie Spaß haben und dann dringend ein Praktikum zu absolvieren. So lernt man die Arbeit und auch die zukünftigen Mitarbeiter kennen. Mehrere Praktika in verschiedenen Bereichen sind nicht verkehrt.

4-Tage-Woche im Handwerk? Positive Erfahrungen im Überblick

Du hast in deinem Unternehmen als einer der ersten die 4-Tage-Woche im Handwerk eingeführt. Wie sind deine Erfahrungen damit?

Meine Erfahrungen mit der 4-Tage-Woche im Handwerk sind überwiegend positiv. Wir arbeiten ja an 4 Tagen 37 Stunden, um dann am Freitag frei machen zu können. Es ist also von Montag bis Donnerstag schon lange zu arbeiten.

Die dann folgenden drei Tage Erholung sind aber ein großes Plus an Lebensqualität. Die Mitarbeiter sehen das auch so. Natürlich ist immer jemand Freitagvormittag für unsere Kunden in Bereitschaft. Wir wollen niemanden hängen lassen, wenn er in Not ist.

Was würdest du anderen Betrieben raten, die überlegen eine 4-Tage-Woche im Handwerk einzuführen?

Auf keinen Fall werde ich versuchen, irgendjemanden zur 4-Tage-Woche im Handwerk zu überreden. Ich bin ein großer Freund von flexiblen Arbeitszeiten. Ich bin z.B. kein Frühaufsteher. Lieber hänge ich die Stunde abends dran, die ich morgens länger schlafe.

Dann beginne ich meinen Tag motiviert und zufrieden. In jedem Fall sollte man sich mit den Mitarbeitern abstimmen und sie bei der Arbeitszeitfestlegung mit ins Boot nehmen.

Betriebliche Krankenversicherung im Handwerk 2024 als zentraler Trend

Du bist Obermeister der Elektroinnung Münster. Wie bist du dazu gekommen und warum?

Ich lege großen Wert auf Netzwerke. Diese Position ermöglicht es mir viele Leute aus Handwerk, Industrie und Politik kennenzulernen. Auch ist der Posten als Obermeister vorteilhaft für mein Ansehen bei den Kunden und zukünftigen Mitarbeitern.

Ich hatte so viele Ideen für mein Handwerk, die ich als einzelner Betrieb nicht umsetzen kann. Da hilft mir die Gemeinschaft der Innung. Ich wollte meine Ideen zum Wohle aller Innungsbetriebe umsetzen, da blieb nur die Funktion als Obermeister. Zur weiteren Erweiterung des Netzwerkes war dann auch der Eintritt in den Vorstand der Kreishandwerkerschaft konsequent.

Was sagst du zu jemandem, der meint, dass die Innungsmitgliedschaft nur etwas für „alte Männer“ ist.

Ich kann nicht verstehen, was das mit alten Männern zu tun hat! Die Innung ist ein Zusammenschluss aus Meisterbetrieben desselben Handwerks. In unserer Innung werden über 80, zum Teil kleine, Betriebe zu einer großen Gruppe mit einer gewissen Macht und guten Beziehungen zu Industrie und Politik.

Eine große Gemeinschaft wird eher mit Problemen fertig als kleine Einzelbetriebe. Wir beraten uns untereinander, handeln Einkaufsvorteile aus, organisieren Fortbildungen und unterstützen uns im Projektgeschäft. Es gibt eine Rechtsberatung und eine politische Lobby.

Die Mitgliedschaft in der Innung ist für junge und alteingesessene Betriebe noch genauso wichtig, wie vor hunderten Jahren als sie erfunden wurde. Es ist uns gelungen, die Innungen (vorher Zünfte) in die moderne Zeit zu überführen.

Warum würdest du gerade jungen Gründern im Handwerk raten, Innungsmitglied zu werden?

 Junge Existenzgründer haben viele Hürden zu nehmen. Sie müssen einen Kundenstamm aufbauen, Mitarbeiter gewinnen, sich rechtssicher aufstellen und funktionierende Firmenstrukturen aufbauen. Dabei kann man viele Fehler machen!

In der Gemeinschaft einer Innung kann man davon viele umschiffen oder bekommt Hilfe, wenn doch mal Fehler passiert sind. Man kommt in ein gutes bestehendes Netzwerk, um sein Unternehmen optimal aufzubauen.

Was wünschst du dir für deinen Betrieb und die Zukunft des Handwerks?

Die Firma Raddant Elektrotechnik geht durch meinen Sohn Leon gerade in die 5. Generation. Wir haben momentan keine Probleme mit der Auftragslage. Sorgen bereitet uns die Gewinnung von geeignetem Personal und die unglaublich ausufernde Bürokratie. Hier wünsche ich mir mehr Praxisbezug aus der Politik:

  1. Abbau von Bürokratie, indem man dem Inhaber des Unternehmens wieder mehr Eigenverantwortung zutraut. Es muss nicht alles reglementiert und kontrolliert werden.
  2. Wenn die Schulen und viele Eltern nicht jeden jungen Menschen in das Studium komplimentieren, sondern auch eine Kariere im Handwerk bewerben würden, wären die Zahlen der Studienabbrecher weniger hoch und talentierte Praktiker würden ohne Umwege in einer Ausbildung im Handwerk landen.

Vielen Dank für das interessante Gespräch, Stefan Raddant! 

4-Tage-Woche im Handwerk und weitere drängende Themen

So wie Stefan Raddant wünschen sich viele weitere Handwerksunternehmerinnen und -Unternehmer für das Handwerk und dessen Zukunft mehr Fachkräfte und Personal. Ob die 4-Tage-Woche im Handwerk der richtige Weg ist, müssen Unternehmer und Geschäftsführer für sich selbst entscheiden.

Für weitere Meineungen und Perspektiven zu diesem Thema könnt Ihr gerne in unseren letzten Interviews vorbeischauen. Außerdem haben wir bereits einigen Artikel darüber veröffentlicht, wie man Mitarbeitende, die man gewonnen hat, schließlich auch langfristig binden kann – mehr dazu hier.

Artiklebild: Unsplash / ThisisEngineering.

Teile diesen Beitrag:

Über den Autor

felix
Felix Sirotek – Felix ist hier auf Mega-Handwerk unser Fachmann für die Weiterentwicklung von Handwerksunternehmern. Er hat sich darauf spezialisiert, Handwerksbetriebe dabei zu unterstützen und zu beraten, wie sie Mitarbeiter gewinnen und binden können. Da passt es gut, dass er ohnehin Experte für die betriebliche Altersversorgung (DVA) und Fachberater für Belegschaftsversorgung ist. Mit innovativen Strategien, digitalen Lösungen und Studien zur Arbeitgeber-Attraktivität unterstützt er das Handwerk im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Schließlich weiß Felix eines ganz genau: Handwerk ist MEGA! Mehr zu Felix gibt es auf www.felixsirotek.de

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert